Weissglut

Im Dunkeln im Hinterhof. Ursula und Joey arbeiten am Grill. Sie trainieren nach einer Video-Vorlage mit dem Doppelgrillweltmeister Oswald Rodenkirch. Mit den Grillierfähigkeiten wollen die beiden einen Staatsakt unterwandern. Hat nicht schon Claude Lévi-Strauss, der Ethnologe, angedeutet, dass «die Wahl des Gesottenen die Festigung, die des Gebratenen die Lockerung der familialen oder gesellschaftlichen Bindungen konnotieren könnte»? Doch auch CLS hatte seine Rechnung ohne Oswald gemacht. Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen ist mit den 1980er, spätestens den 1990er Jahren vollständig in die Verwertungszirkel eingeplant. Gerade die widerständigen Subjekte versprechen später, unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten, die innovativen zu sein. So hat sich auch der in den 1980er Jahren von den Zürcher Jugendunruhen geäusserte Unmut in wertschöpfende, kulturelle Beiträge verwandelt, die das gegenwärtige Stadtzürcher Standortmarketing mittragen. «Weissglut» überkreuzte für «Unruhe bitte! Strategien des Einspruchs» – einer Feier der 80er Bewegung im Theaterhaus Gessnerallee – Grillieren mit Engagement: Wenn der Grill zum Wettbewerbsinstrument erhoben wird, das, wie die World Barbecue Association erklärt, der Völkerverständigung dient, und der direkte politische Einspruch auf der Strasse nicht mehr taugt: Wie könnten dann hybride Formen zwischen Widerstand im Wettbewerb aussehen, die die Wünsche nach besserem Leben «unverwertbar» vortragen?

Besetzung
Schauspiel: Ursula Reiter, Joey Zimmermann und Oswald Rodenkirch (Videofilm) | Text, Regie, Bühne: Tim Zulauf | Kamera: Eva von Wartburg

Dauer: 25 Minuten

Aufführungen
«Unruhe bitte!», Theaterhaus Gessnerallee Zürich, 30. September und 1. Oktober 2005

Videostills: Eva von Wartburg



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