Börsen handeln

Das ortsbezogene Schauspiel-Projekt «Börsen handeln» verfolgt, wie globaler Börsenhandel unser Leben bestimmt – entlang der Geschichte der Zürcher Börse und quer durch die Räume der Schweizer Börse SIX und des Finanzmuseums. Über Kopfhörer wird das Publikum von elektronischer Musik und vom Museumsführer Dominique Theiler geleitet. Erklärt werden Anlagestrategien, Finanzinstrumenten wie Derivate und Optionen oder die neuen, digitalisierten Kryptowerte der «Token». Zu erfahren gibt es, wie die Entkörperlichung des Börsenwesens vor sich geht: War anfangs der neunziger Jahre, für den Bau der «Neuen Börse Zürich», noch der Handel «à la crié» am Börsen-Ring zentral, so sind es heute der gleichberechtigte Zugang zu Glasfasernetzen und die Auswertung von Datenströmen durch künstliche Intelligenz. Die Börse ist ungreifbar geworden. Mikrosekunden, Algorithmen und Hochtechnologie bestimmen den Handel.
Wie können wir, als Anleger*innen, in so einem Umfeld noch Vorhersagen treffen? Schliesslich ist es zunehmend unser Verhalten selbst, das von Grosskonzernen vorhergesagt und zur Handelsware gemacht wird. Was passiert da mit den Versprechungen von transparenter Marktpreisbildung und relevanter Innovation? Kaum stellen sich solche Fragen, bringt Museumsguide Theiler die Zeitachsen ins Wanken: Der Markt steht still. Handelt es sich um einen der berüchtigten Flash-Crashs, bei denen amoklaufende Handelsalgorithmen die Kurse in den Abgrund ziehen? Oder ist es Zeichen einer tiefergehenden Disruption der Märkte? Eine für alle Marktteilnehmenden unverdaubare Innovation? Mit der Expertin für digitale Anlagen, Elodie Nah, betritt eine investigative Figur die Szene. Ihr ist das Treiben des Museumsangestellten Theiler suspekt. Aber als sie selber im Vakuum der stillstehenden Zeit einen Börsengang vollzieht, um das technologische Innere der Börse zu erforschen, zeigt sich, dass auch sie nicht ist, wer sie zu sein scheint. Immer deutlicher tritt ein neues Zusammenspiel von künstlich-intelligenter und menschlicher Steuerung zu Tage. Und der Versuch, die Märkte erneut in Gang zu setzten, führt zu überraschenden Blickwinkeln. Selbst die Archive des Museums mischen sich ein.
Als Science-Fiction-Erzählung bündelt «Börsen handeln» Einsichten in die Herkunft und Ausblicke in die Versprechen des Börsenhandels. In einer Zeit, in der bis hin zur Altersvorsorge alles an die Börse delegiert wird, schlägt das Projekt aufgrund der sich anbahnenden ökologischen und technologischen Umbrüche eine kritische Neubestimmung vor.

Besetzung
Performance: Susanne Abelein, Andreas Storm | Text, Projekt: Tim Zulauf | Sound: Nicolas Buzzi | Bildarbeiten: Yves Netzhammer | Regie: Kollektiv | Dramaturgie: Andreas Storm | Modellbau, Kostüm: Barbara Pfyffer | Assistenz: Kim Werner, Matthias Kull, Salome Bosshard | Produktionsleitung: Lukas Piccolin | Fotos: Niklaus Spoerri | Online-Plug-In: Alexander Tuchaček, Performance: Vivien Bullert, Christoph Rath

Aufführungen
Schweizer Börse SIX, Schweizer Finanzmuseum, Pfingstweidstrasse 110, 8005 Zürich
SA 08. / SO 09. / SA 15. / SO 16. / SA 22. / SO 23. / SA 29. / SO 30. Januar 2022, jeweils von 14 bis 15.20 Uhr
+++ZUSATZVORSTELLUNG+++ SO 30. Januar, 17–18.20 Uhr
+++WIEDERAUFNAHME+++ SA/SO 10./11. und 17./18. Dezember 2022, 14–15.20 Uhr, 17. Dezember 17–18.20 Uhr Tickets

«Gaia-WeltExChange» von Alexander Tuchaček ist ein Plug-In zum Projekt «Börsen handeln». Das Projekt denkt Börse in neuer Konsequenz. Performance: Vivien Bullert, Christoph Rath

Stimmen
«Wenn die Bildkommentare von Yves Netzhammer plötzlich aufleuchten wird der Weltuntergangsglaube während der Verblüffung über die erste Sonnenfinsternis nachvollziehbar. Genauso erhält die sogenannt unsichtbare Hand des Marktes plötzlich einen real fassbar erscheinenden Sinn. […] Susanne Abelein und Andreas Storm versuchen, die Fantastik zu erklären, uns als Investoren zu beschwichtigen respektive mittels des Schürens von Ängsten zu Kurzschlusshandlungen zu bewegen, was als Sinnbild sehr trefflich ist.» P.S. – Die linke Zürcher Zeitung, Thierry Frochaux, 14.01.2022

«Den abstrakten Fachbegriffen begegnet das Stück mit Sprachwitz: ‹Sie legen sich nicht mit mir an, Sie legen an in mich›, sagt Susanne Abelein als Elodie Nah im Konferenzraum. […] Grossangelegte, komplexe Recherchen sind typisch für Tim Zulaufs Produktionen; ‹Börsen handeln› fordert entsprechend viel vom Publikum. Der temporeiche Gang durch die Börse stellt brisante Fragen und ist klug, aber auch etwas verkopft geraten.» SRF – Börse auf der Bühne - Hier geht das eigene Ich an die Börse, Laura Leupi, 11.01.2022

«Börsen handeln» dankt folgenden Gesprächspartner*innen für den grosszügigen Austausch: Prof. Marc Chesney (Professor für Finanzmathematik, Universität Zürich), Simone Kobel (Schweizer Finanzmuseum), Prof. Stefan Leins (Ethnologie mit Schwerpunkt Kulturen der Ökonomie, Universität Konstanz), Richard T. Meier (Direktor Zürcher Börse 1979–98, Direktor der SWX Swiss Exchange bis 2007), Prof. Josef Teichmann (Professur für Finanzmathematik, ETH Zürich), Raphael von Thiessen (Thinktank W.I.R.E.), Alexander Tuchaček (Künstler, ZHdK), Andrea Weidemann (Schweizer Finanzmuseum), Christoph R. Züllig (COO Private Alpha – AI Based Investments)

Eine Produktion von KMUProduktionen, Verein Zürich, in Koproduktion mit dem Schweizer Finanzmuseum und der Gessnerallee. Mit freundlicher Unterstützung durch Kultur Stadt Zürich, Migros-Kulturprozent, ewz – Elektrizitätswerk der Stadt Zürich, RadioTrend AG/Lance Eichenberger, Spilag AG

Fotos: Niklaus Spoerri

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